Es ist EM! - Eine Ide an die Hupe

Vorwort

Auch wenn ich es fast nicht mitgekriegt hätte, es ist Europameisterschaft. Und diese findet nicht im Rahmen von Sportschnitzelbraten statt, sondern darin, einen ledrigen Ball in einen Kasten aus Aluminium und Fischernetz reinzukriegen. Man mag jetzt spekulieren, dass ich von diesem Sport null Ahnung habe und würde man mit solchen Spekulationen Geld verdienen können, man hätte hier einen todsicheren Treffer gelandet. Ich habe nämlich von Fussball soviel Ahnung wie von der Herstellung von Toffifee. Trotzdem hat in dem labbrigen Brötchen in meinem Schädel gestern eine Synapse eine Hängebrücke zwischen Fussball und Autos geschlagen. Die nächsten Wochen wird nämlich ein Bauteil unserer Lieblinge ordentlich was leisten müssen: Die Hupe. Die arme Sau.

Definition

Die Hupe dient wikipedischer Beschreibung den folgenden Zwecken:

 

Aufwecken“ eines Verkehrsteilnehmers, der vor einer Ampel „eingeschlafen“ ist. - Oder gerade eine SMS schreibt. Rauf auf die Hupe!

 

Aufmerksammachen oder Beschwerde, dass sich ein Verkehrsteilnehmer falsch verhalten hat. - Genau, du Vollidiot hast gerade einmal zu wenig geblinkt. Rauf auf die Hupe!

 

Zum Vertreiben der „Bösen Geister“ im Geleitzug eines neu vermählten Ehepaares. - Wusst' ich nicht. Ich dachte immer das sei als Warnung für die Leute an der Strasse zu verstehen; Achtung, hier kommt ein Corso voll mit Leuten, welche nachmittags beim Stehapero schon vier Gläser Weisswein und einen Schnapps zu viel in den Hals geschüttet haben.

 

Zum Grüßen von Bekannten oder Freunden an der Straße. - Genau, am besten ca. 50cm neben dem Bekannten oder Freund, mit der Bro-Faust rauf auf die Hupe, dazu dämlich grinsend winken.

 

Hupkonzert nach sportlichem Erfolg der Lieblingsmannschaft. - Wir haben ein Vorrundenspiel gewonnen, lasst uns zur Feier dessen die Hupe einmal komplett durchglühen!

 

Vor allem der letztere Punkt wird auch dem letzten Fussballeremiten in den nächsten Wochen mehr als unverhandelbar erscheinen. Also, Typen wie mir, die vor dem Fernseher sitzen, bei Chips und Bier den Werbemarathon auf RTL kucken und sich wundern, dass es draussen klingt, als ob man den kompletten Strassenverkehr von Istanbul vor die heimische Haustür importiert hätte. Mein Nachbar hingegen, der wusste anscheinend was sich gehört und weil er vermutlich schon ein paar Promille zu viel hatte, entschloss er sich sehr zu liebe seines Führerscheins, sich von der Terrasse aus dem Hupkonzert anzuschliessen und seine zerknitterte Trompete von Mallotze '96 mal wieder hervorzuholen. Hatte was von einem Hulk, der einen Elefanten stranguliert. Oder Stefan Mross live.

 

Doch, was hat die Hupe eigentlich für einen Weg hinter sich? Ich erinnere mich an ein Gespräch zwischen mir und einem sehr geschätzten älteren Herrn, der zur Zeit seinen Ruhestand dazu nutzt, ein Buch über die Geschichte der Hupe zu verfassen, ich werd' mir dieses Werk auf jeden Fall kaufen. Ganz so weit ausholen möchte ich nicht, aber trotzdem ein paar Anekdoten aus diesem sehr lustigen Gespräch.

Die Geschichte

Der Red Flag Act - dieser besagte 1865 innerhalb des britischen Königreichs, dass vor einem Kraftfahrzeug jemand vorausgehen und eine rote Flagge schwenken musste. Aber auch damals war das Ersetzen von Personal durch maschinelle Konstrukte schon ein Thema, also musste man sich etwas einfallen lassen, um den Fahnenschwinger für eine höhere Aufgabe freizustellen, als Reifenvulkanisierer oder sowas. Salopp zusammengefasst entschied sich ein findiger Arzt(?) dazu, den Kautschukbalg von seinem Darmspülungsgerät an ein Jagdhorn zu pappen et voilà, fertig war das Hupgerät, welches ab dem Zeitpunkt so vielen Menschen Freude, aber auch so manches Leid bereitet hat.

 

Ab sofort gehörte es also im wahrsten Sinne des Wortes zum guten Ton, solch einen Aufmerksamkeitserreger an seiner Kutsche oder wer sich's leisten konnte, an seinem Automobil montiert zu haben. Dennoch, damals kam noch niemand auf die Idee, bei einem Tor der heimischen Fussballmannschaft dieses Ding solange zu drücken, bis entweder der Kautschuk zerbröselt ist oder man eine Sehnenscheidenentzündung vom Hupen hatte.

Die Evolution

Natürlich blieb es nicht lange bei der manuellen Bedienung, für die Lordschaft war es grundsätzlich unter der eigenen Würde, mit Muskelkraft seiner Anwesenheit akustisch untermalten Ausdruck zu verleihen. Schliesslich wurde auch im heimischen Schloss der Eintritt ihrer Lordschaft in einen Raum durch einen Bediensteten verkündet. "Lord Weaselbasher betritt das Esszimmer! Hinfort, ihr niederen Bediensteten!". So wurde dann auch zwangsläufig die erste mechanische/elektrische Hupe erfunden, weniger für das Esszimmer jener von Weaselbashers, mehr für die sandigen Strassen des aufkommenden Industriezeitalters. Untenstehend ist dann auch der Hupenklang, den jeder kennt, welcher so wie ich seine Bildung aus gewalttätigen Zeichentrickfilmen bezogen hat.

Ich gehe mal davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt auch die Nutzung der Hupe als Form der Beschwerde über die Inkompetenz anderer Verkehrsteilnehmer Etablierung gefunden hat. Nichts sagt leiser "Ich liebe dich" als ein Strauss Rosen. Und nichts sagt lauter "Du bist so dumm wie eine Schüssel Cornflakes ohne Milch!" als der Klang eben jener Hupe.

 

So ging's dann ein paar Jahre weiter, die Hupe veränderte sich in ihrem Klangbild, der Optik und wanderte dann auch irgendwann endgültig hinter den Kühlergrill. Fussgängerschutz war vermutlich damals schon ein Thema und dem Angefahrenen ist ja auch nicht geholfen, wenn die Hupe ihre majestätische Zweiklangfanfare in seine Nieren reinbläst, kurz bevor er unter dem Wagen verschwindet. Auch andere Transportmittel wurden mit Hupen ausgestattet, so z.B. Schiffe und vor allem Züge. Und weil jene Gefährte auch ein wenig grösser sind, wuchs die Grösse der Hupen proportional zum Bremsweg. Und das macht ja auch irgendwo Sinn, wobei ein Überlandhorn an einem Mini-Cooper erscheint jedem mit gesundem Menschenverstand vermutlich etwas überdimensioniert. Was manche aber anscheinend nicht davon abhält, eine Lokomotivenhupe an ein durchschnittliches KFZ zu montieren.

Das ist sicherlich für den einen oder anderen Spass gut, erinnert aber ein wenig an den berühmten Kanonenschuss auf den Spatz. Und wie gesagt, per Definition geht es ja nur darum, den träumenden Fahrradfahrer vor dem Kühler aufzuwecken und nicht um ihn von der Strasse auf den nächsten Baum raufzuhupen, wo er den Rest des Nachmittags mit einem Ruhepuls von 184 verbringt. Aber es gibt noch wesentlich dümmere Sachen, die man mit Hupen machen kann:

Und das hält man im Kopf nicht aus, aber der Beweis, dass Hupen keinen musikalisch kommerziellen Erfolg versprechen, der ist damit erbracht. Zum Glück, das letzte was dieser Planet neben der EM noch braucht, ist Mark Forster feat. Konis Hupen. Die einzigen dicken Hupen, welche wirklich richtig Kohle gemacht haben, sind jene von Pam Anderson. Aber das ist eine andere Branche mit anderem Approach.

 

Und wenn wir schon zu den amerikanischen Hupen abschweifen, wer sonst würde darauf kommen, eine im Klang verstellbare Hupe (Sirene) mit einem Hemi V8 zu betreiben? Jene Typen, die heute auch den Käse am liebsten aus der Tube rausdrücken, man muss sie für manches einfach lieben.

In Deutschland indessen, da ging man andere Wege. Der Gipfel der damaligen Ingenieursleistung war der 600er Benz, die Diktatorensänfte. Hier war die Hupe nicht der Grösse des Autos angepasst (obwohl der Schlitten riesig ist), sondern der Wichtigkeit des Gastes auf dem hinteren Platz und dies auch noch in drei verschiedenen Wichtsackstufen. Und damit dies auch entsprechend Nachdruck hatte, hat man die Hupe mit Druckluft betrieben. Wie übrigens auch die Fensterheber und sonst ein paar Gimmicks in meinem vermutlich liebsten Benz. Wenn diese Hupe erklang wusste jeder Fussgänger, ich werd' gleich von der Queen Elizabeth (dem Schiff, nicht die alte Dame) plattgewalzt.

Huhu?

Weg da!

Schiff ahoi!

Und man muss sich mal vorstellen, diese Hupe hätte sich als Massenprodukt etabliert und wäre heute in jedem Polo zu finden? Um Gottes Willen, die EM wäre der grün gewordene Horror für jeden Migränepatienten.

Hupe Mensch / Mensch Hupe

Da die Hupe ja auch nicht mehr aus dem zeitgenössischen Sprachgebrauch wegzudenken ist, hier noch ein paar Übersetzungen. Voraus geht natürlich immer der Klang einer entsprechenden Einrichtung am Fahrzeug; Pfrööööt!

 

  • ich bin nicht einverstanden mit Ihrer Art ohne Blinker rechts abzubiegen - du verdammter Vollidiot!
  • mir missfällt ihr Anliegen, ohne Licht durchs Dorf zu fahren - Du hirnamputierter Spast!
  • Nein, ich möchte jetzt nicht das völlig zerknitterte europäische Unfallprotokoll aus dem Handschuhfach rauskramen - Arschloch!
  • Ich bin der festen Überzeugung, dass Sie blind sein müssen, ich teste jetzt kostenfrei ihr Gehör - Bist du eigentlich blind oder wieso fährst du mir so knapp vor den Kühler??
  • Entschuldigen Sie bitte, aber ich habe den Parkplatz zuerst gesehen und habe auch entsprechend geblinkt - Ich geb' dir gleich Parkplatz, beim nächsten Krankenhaus!!
  • Meine Lieblingsmannschaft hat das Spiel gewonnen, daher äussere ich ein akustisches High-Five - Oléééééoléoléoléééé!
  • Dürfte ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten, bevor Sie ihre Zähne in meine Scheibenwischer rammen? - Himmel, ich hab dich zu spät gesehen. Bist trotzdem selber schuld und ein Vollpfosten vor dem Herrn!!!
  • Ich habe eine Hupe an meinem Auto - Ich habe Recht!!!

 

In der Zukunft

Wenn wir irgendwann autonom fahren sollten, dann wird die Hupe an Bedeutung verlieren. Die rechnerische Intelligenz in den Autos wird es nicht mehr für nötig halten, seinem "Gegner" mittels Hupen ihren Unmut kundzutun. Aber vielleicht schicken sich die Autos dann Powerpoints mit Anleitungen, wie man richtig Auto fährt. Oder vielleicht poppt auch nur dieses Emoji auf dem Zentraldisplay auf:

Das wäre mir jedenfalls sympathischer als eine akustische Morddrohung. Für fussballtechnische Grossereignisse müsste man sich dann aber etwas einfallen lassen, vielleicht wirft man dann einfach mit Rosenkohl oder der Absatz von Trompeten schiesst durch die Decke. Bis es aber so weit ist, wird dieser Verein von faltenärschigen Bargeldjongleuren (Fifa) den Sport vermutlich dermassen korrumpiert haben, dass man nur noch mit Rosenkohl wirft, wenn der Nachwuchs den Ball nach Protokoll ins richtige Tor geschubst hat, wohlgemerkt in einem ergebnislosen Spiel.

 

Am Ende

Das waren jetzt eine Menge Hupen. Tatsächlich kommt das Wort Hupe in diesem Text rund 40mal vor, ohne die Bild und Tondokumente. Wen das Wort Hupe jetzt endgültig nervt, der weiss wie's mir gestern nach ca. einer Stunde bei offener Balkontür ging. Aber was toleriert man nicht alles, wenn König Fussball regiert, bis zum nächsten Hupkonzert.

Text & Bilder: Markus

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